Zwei Hände formen mit den Fingern ein Herz

Unsere Geschichte

Wie aus Zweckehe Liebe wurde...

Die Bildung des Landkreises Waldeck-Frankenberg durch Zusammenschluss der beiden „Altkreise“ im Jahre 1974 war das finale Resultat einer umfassenden Gebiets- und Funktionalreform, die die hessische Landesregierung schon ein halbes Jahrzehnt zuvor anstieß, von da an vorantrieb und mit den im Jahre 1973 vom Landtag verabschiedeten „Abschlussgesetzen“ vollendete.

Im Gegensatz zu den Zusammenschlüssen der Gemeinden durch Einigung auf örtlicher Ebene war die Zusammenlegung von Landkreisen eine Reform „von oben“. Die Landesregierung versprach sich durch die Fusionen größere und leistungsfähigere Kreisverwaltungen. Sie plante, ihre Zahl von bis dahin 39 zu halbieren und die Zahl der kreisfreien Städte zu reduzieren. Neben der Neuordnung auf der Ebene der Landkreise erfuhr auch die Landesverwaltung einschneidende Veränderungen durch einen neuen Zuschnitt und eine Neuordnung der Zuständigkeiten der Regierungsbezirke.

Die Entstehung des Landkreises Waldeck-Frankenberg regelte das Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Frankenberg und Waldeck vom 28. September 1973, das am 1. Januar 1974 in Kraft trat. Es war für Bürgerinnen und Bürger mit Veränderungen im Umgang mit den Landratsämtern bezüglich ihrer Standortverteilung verbunden, die ihnen aber zuzumuten waren. Die Zielsetzungen der Verwaltungsreformen und die Erwartung ihres ökonomischen Nutzens waren einleuchtend, verdienten sicher Akzeptanz und begegneten auch keiner auffälligen Kritik.


Abschiedsschmerz

Der Gedanke, dass „zusammenwächst, was zusammen gehört“, stellte sich aber nicht gleichzeitig ein, insbesondere nicht bei traditionsbewussten Waldeckern. Sie fühlten sich ja schon nicht unbedingt als Hessen, wozu sie durch Entscheidung der Besatzungsmächte nach dem Zweiten Weltkrieg bestimmt worden waren. Sie besannen sich gern der bemerkenswerten, wechselvollen Geschichte des Waldecker Landes, sei es als Grafschaft, Duodezfürstentum oder Freistaat. Was hatte dieses traditionsreiche territoriale Gebilde seit seiner Gründung im 12. Jahrhundert überstanden! Die Erbauseinandersetzungen der Grafenfamilie führten zu Teilungen und Wiedervereinigungen. In napoleonischer Zeit entging Waldeck der Einverleibung in das Königreich Westfalen, weil es zuvor dem Rheinbund beigetreten war. Im preußisch-österreichischen Krieg von 1866 stand es auf der „richtigen“ Seite, sodass es unter Preußens Gnaden seine Selbstständigkeit als Fürstentum behielt, ab 1918 als „Freistaat Waldeck“. Nicht überlebensfähig ging es zwar 1929 in der preußischen Provinz Hessen-Nassau unter, tauchte aber 1942 als neu gegründeter Landkreis Waldeck wieder auf.

Dass damit nun wieder Schluss sein sollte, konnte den waldeckischen „Patrioten“ nicht gefallen. Zu jedem Sänger- und Schützenfest sangen sie ja die Hymne „Waldeck, mein lieb‘ Heimatland“ inklusiv der tragikomischen Verklärung, „bis zum letzten Atemzuge werde, ihm ich weihen treulich Herz und Hand“. Ihr Zusammenhalt drückte sich in ihren traditionellen Volksfesten, Jahrmärkten, Schnadezügen und historischen Freischießen aus. Ihre Selbsterkenntnisse bezogen sie aus der Waldeckischen Landeszeitung, die für eine detailgenaue Verbreitung aller Nachrichten aus Stadt und Land sorgte. Die Zusammenlegung der Landkreise machte den Waldeckern bewusst, was sie bewahrt wissen und nicht entbehren wollten.

Da wurde z. B. die mit der Landkreis-Verschmelzung verbundene Abschaffung eines identitätsstiftenden Symbols als Verlust erlebt: das Akronym „WA“ als Teil der amtlichen Autokennzeichen. Allerdings erfolgte der Wechsel zu „KB“ nur für Zulassungen ab 1974. Manche Fahrzeughalter verschoben geplante Neuanschaffungen, um ihr bisheriges Kennzeichen möglichst lange zu behalten. Auch Autoaufkleber mit dem Wappenstern und dem Schriftzug „Fürstenthum Waldeck“ waren beliebt. Nachdem inzwischen wieder Kennzeichen der beiden ehemaligen Landkreise, „WA“ und „FKB“ vergeben werden, ist festzustellen: Die Aufregung hätte man sich damals ersparen können. Lässt man Vorbehalte aus eher sentimentalen Gründen außer Acht, waren die vom Landtag beschlossenen Zusammenschlüsse von Landkreisen doch sinnvoll und notwendig und in Bezug auf den Landkreis Waldeck-Frankenberg auch erfolgreich. Die vergrößerte Kreisverwaltung konnte selbstverständlich ihren Aufgaben besser gerecht werden, als mit den vorher verfügbaren Strukturen.


Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

Ist im Laufe der Jahrzehnte seit dem Zusammenschluss aus den ehemaligen beiden Landkreisen ein einheitliches Gebilde geworden, ein Waldeck-Frankenberg mit gemeinsamen Merkmalen, einer „Corporate Identity“? Was den „Großkreis“ auszeichnet, ist sein Erscheinungsbild mit bemerkenswerter Vielfalt. Touristen und Urlauber wissen seine landschaftlichen Vorzüge zu schätzen, insbesondere den Edersee, den Diemel- und Twistesee und das Wintersportgebiet Willingen. Bad Arolsen zieht seine Gäste mit seinem Schloss und dem malerischen Barockensemble an. Und das Heilbäderzentrum Bad Wildungen und Reinhardshausen hat seinen Ruf als einer der größten Kurorte bewahren können, dank seiner hervorragenden Fach- und Rehakliniken. Damit ist Waldeck-Frankenberg die Fremdenverkehrsregion Nr. 1 in Hessen. Gute Arbeitsplätze bieten Industrie- und Gewerbebetriebe. Zusammen mit der Tourismusbranche und den Kliniken sorgen sie seit vielen Jahren für eine vergleichsweise niedrige Arbeitslosigkeit. Den familiengeführten landwirtschaftlichen Betrieben sind gesunde Lebensmittel und eine erhaltende Landschaftspflege zu danken.

Die Städte und Gemeinden finden ihre Identität in der Pflege ihrer Traditionen. Arolsen macht durch seine Barockfestspiele auf sich aufmerksam. Korbach verweist auf seine Rolle als Hansestadt und präsentiert sich gern im „Goldrausch“. Frankenberg besann sich seiner Kunstgeschichte und eines im späten Mittelalter als Steinmetz, Holzschnitzer, Baumeister und Maler bekannt gewordenen Bürgers und firmiert zu dessen Würdigung als Philipp-Soldan-Stadt. In Bad Wildungen wird die im 17. Jahrhundert begonnene Heilbadgeschichte auf Schritt und Tritt erlebbar. Die jahrhundertealte Brunnenallee mit ihren Promenaden, Lindenbaumreihen, den Jugendstil- und Gründerzeitbauten mündet in die historische Altstadt mit der Spätgotischen Stadtkirche und Meister Conrads berühmtem Altar von 1403. Eine Attraktion ganz anderer Art ist im Süden des Landkreises zu entdecken und zu erleben. Der Nationalpark Kellerwald-Edersee mit seiner einzigartigen Flora und Fauna, der durch das Prädikat als Welterbe geadelt wurde, ist ein Schatz, den es zu erhalten gilt und seine Bewunderer zur „behutsamen“ Erkundung anzieht.

An allen Attraktionen, die die Ferienregion Waldeck-Frankenberg für Gäste anziehend macht, erfreuen sich natürlich auch seine Einwohner. Die reizvolle Mittelgebirgslandschaft, die beschaulichen Städte und Dörfer, die Baudenkmale, Museen, Kultur- und Veranstaltungsprogramme, eine relativ unbelastete Natur  und brauchbarer Personennahverkehr sind Voraussetzungen für eine gute Aufenthalts- und Lebensqualität.  Die Bewohner Waldeck-Frankenbergs sind sich sicher der guten Bedingungen bewusst, die sie hier vorfinden. Bei ihrer Wahrnehmung und Wertschätzung ihres Standortes und Umfeldes spielt auf jeden Fall die alte Kreisgrenze keine Rolle mehr. Der Zusammenhalt der Menschen und ihre Bindung an den „neuen“ Landkreis sind gelungen.

Gastbeitrag von Bernd Kleinhans, Bad Wildungen